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INDIEN

Nightbus to Chennai
Es folgt ein Video der Fahrt zum Flughafen in Chennai.

Mein letzter Beitrag zu Indien. Nach einem Monat habe ich beschlossen meine verbleibenden Wochen woanders zu verbringen.


Indien, tja.

Eigentlich hätte meine Reise noch ein paar Wochen länger gehen sollen, immer mehr bemerkte ich aber, dass das nicht mein Land ist und ich meine wertvolle Zeit und mein Geld nicht für etwas verwenden möchte, womit ich mich nicht wirklich wohl fühle. Ich bereue die 4 Wochen in Indien nicht, im Gegenteil, alles Neue, was man erleben kann, jedes Land, das man noch nicht besuchte, bedeutet einen Zuwachs an Erfahrung, eine Erweiterung des eigenen Horizontes.

Die Armut im Land stört mich als Reisender dabei nicht so sehr. natürlich ist es immer wieder erschreckend, wie andere Menschen leben müssen wenn man das mit seiner eigenen Situation vergleicht. Dabei fühle ich mich aber nicht schuldig, wie viele meiner Zeitgenossen, die gerne den Westen als Verursacher allen Übels sehen während sie ihr veganes Essen mit Flug-Mango aus dem Allnatura zubereiten und den nächsten Öko-Urlaub in Guatemala buchen.
Als Tourist trage ich ja sogar einen kleinen Teil zur Verbesserung bei, indem ich mein Geld bei Händlern, Fahrern, Restaurants und in Unterkünften lasse.
Was mich extrem in Indien störte, war die Umweltverschmutzung. Nicht die der großen Konzerne, die ihr Abwasser ins Meer leiten, das gibt es sicher auch wie überall auf der Welt. Nein, die alltägliche Vermüllung, der Abfall auf der Strasse, der Dreck, die katastrophalen hygienischen Zustände. Oft genug habe ich gesehen, wie die Leute ihren, hauptsächlich aus Plastik bestehenden Müll, einfach auf die Strasse warfen. Niemanden schien das zu stören. Die ach so heiligen Kühe, die überall herumlungern und auf die Strasse scheißen, genauso wie die Hunde, die Affen, die Ratten, die Menschen. In fast jedem Restaurant, außer den ganz teuren, sieht die Toilette aus, als wäre sie noch nie geputzt worden. Ich lege dabei sicher keine deutschen oder schweizer Maßstäbe an, bin viel gereist und einiges gewöhnt, so eine Gleichgültigkeit habe ich bisher aber kaum gesehen.
Ein Inder sagte mir dazu, das seinen eben die ungebildeten Leute, die den Müll verursachen. Ich bezweifele das und selbst wenn, dann sorgt eben dafür, dass die Menschen Bildung bekommen. Ihr seid doch alle so verdammt religiös. Ist es nicht die Pflicht eines Hindus, Moslems oder Christen für die Armen zu geben? Indien ist unterm Strich kein armes Land. Wenn die Reichen dafür sorgen würden, dass auch die Armen vernünftige Schulbildung abbekommen, wäre schon viel geholfen.
Praktischerweise hat man aber hier noch ein Kastensystem, das die Menschen automatisch zu zweiter, dritter und vierter Klasse degradiert und darunter. Wer da reingeboren wurde hat quasi selbst schuld und soll sich nicht beschweren. Gut, ich registriere das, none of my business, bin nur der Besucher, aber ich muss mich in so einem Land dann auch nicht länger aufhalten als nötig.
Den Ausschlag hat eigentlich Chennai (Madras) gegeben, wo ich ein Hotel in einer gehobenen Mittelklassegegend hatte mit Bäumen am Strassenrand und BMW und Benz vorm Haus. Dort waren die Strassen verhältnismäßig sauber, die Häuser nicht völlig heruntergekommen. Damit man hier angenehm wohnen kann, hat jeder so seine paar Angestellten, denen wahrscheinlich ein Hungerlohn bezahlt wird und die abends in ihre von Müll umgebenen Baracken zurückgehen müssen. Der Kapitalismus bringt ein gewisses Arm und Reich Gefälle mit sich, so ist das nun mal, so beschissen wie in Indien habe ich das bisher selten gesehen. Die Gleichgültigkeit und Arroganz gegenüber den Mitbürgern, sobald man eine Stufe über ihnen steht, kotzt mich an.

Damit sind wir bei den Menschen. Ein paar Wochen ergeben keinen repräsentativen Eindruck, eine Richtung aber schon würde ich meinen. Meine Erfahrungen waren zwiespältig. Ich hatte wirklich super nette und freundliche Begegnungen aber auch viele, wo Absprachen nicht eingehalten wurden, man offensichtlich versuchte mich zu betrügen, wo es Streit ums Geld gab, wo man mir unfreundlich begegnete, auch in Hotels, Läden und Restaurants, wo ich ja eigentlich ja mein Geld lassen wollte. Das führt irgendwann dazu, dass man niemandem mehr vertraut, dass man ehrlichen Menschen unterstellt, unehrlich zu sein. In dieser Massivität habe ich das bisher nur in Nordafrika erlebt und echt, dazu habe ich einfach keinen Bock. Ich mag nicht irgendwo sein, wo ich den Leuten erst einmal misstrauen muss. Ich spreche nicht von Kriminalität, unsicher habe ich mich nirgendwo gefühlt, es ist der tägliche Umgang mit den Menschen.

Bis auf einige Orte in der Natur habe ich auf meiner Reise praktisch nichts Schönes gesehen. Die ollen Tempel bei Hampi und der große in Madurai mal ausgenommen.
Angeblich ist das in Nord-Indien besser, Rajastan, Punjab und Himachal Pradesh. Da seien aber die Menschen unfreundlicher. Haha. Mag sein, ich werde das nicht erfahren, hatte sowieso die Lust verloren und derzeit ist es mir dort zu kalt. Nach meinen Erfahrungen in Nepal bin ich mir sicher, dass die Himalaya Gegend spektakulär ist. Nur, dafür werde ich dann, wenn überhaupt wieder nach Nepal gehen. Ein sehr armes Land aber menschlich ne ganz andere Liga als Südindien.

Zuletzt die Religion, der ewige Bremsklotz der Menschheit. In Indien allgegenwärtig. Christen, Hindus und Moslems in dieser Reihenfolge was die Gebote, Verbote, Regeln und Vorgaben angeht, wie man sein Leben und auch nur den Tag verbringen muss. Frauen haben dabei, wie üblich, das größte Nachsehen.
Man ist sehr stolz darauf in Indien, dass die Religionen so friedlich miteinander auskommen. Schön. Wie lange noch? Wenn man es genau betrachtet, stimmt das sowieso nicht. Auch in Indien starben und sterben Menschen wegen religiös bedingter Attentate und bei den Kriegen im Norden geht es auch um religiöse Vormachtstellung.
Ich bin ein freier Mensch, zum Glück, habe mit Religion nix am Hut, zum Glück und kann daher entscheiden in religiös verseuchten Gebieten, wenn überhaupt, nur einen kurzen Abstecher zu machen. Zum Glück.

Zu allerletzt das Essen. Ich mag indisches Essen von Zeit zu Zeit, die exotischen Gewürze. Unterwegs esse ich bevorzugt dort, wo auch die Leute essen, in kleinen Restaurants an der Strasse. Bis auf die frischen Fruchtsäfte, die man meist bekommt, hat mich das Essen irgendwann etwas angeödet. Immer die gleiche Pampe mit verkochtem Zeug drin, ähnlichem Geschmack und nie etwas Frischem. Selbst meine paar Besuche in hochpreisigen Restaurants waren durchwegs ernüchternd. Im wahrsten Sinne des Wortes, da fast alle ohne Lizenz.
Selten hat es mich so gefreut wieder in Bangkok zu sein, von wo ich diese Zeilen gerade schreibe, und allein das Streetfood zu genießen, das frisch zubereitet wird, mit frischen Kräutern, frischen Gewürzen, frischem Gemüse, frischen Fisch oder frischem Fleisch. Und einem kalten, frischen Bier dazu ohne frischen Stress.

Nochmals: war eine interessante Zeit, lehrreich, faszinierend, was hoffentlich in manchen meiner Fotos rüberkommt. Die kostbaren Tage aber, die ich im Ausland verbringen darf, möchte ich zukünftig nicht in Indien verschwenden.
Ganz klar ist das eine extrem subjektive Sichtweise. War es schon immer. Als Fotograf ist man sowieso zur Subjektivität verdammt, über all meinen Aufnahmen sowie den Blogs stand und steht fett HERR K.
Sowieso hat jeder andere Vorstellungen, Einstellungen, Prioritäten.
Meine sind: Nummer 1, das Wetter. Nummer 2, das Wetter. Nummer 3, das Kennenlernen von Menschen, Ländern, Kulturen. Jedesmal wenn ich darüber etwas neues lerne, lerne ich auch etwas über mich. Nummer 3, ich will einfach auch eine gute Zeit haben, keinen Stress bei jedem Buchen eines Zugtickets, einer Taxifahrt, einer Tour. Will einen beach ohne Müll. Will ein Bier am Abend ohne Theater. Will Menschen nicht misstrauen müssen und will verdammt noch mal ab und zu etwas Schönes sehen.

Immer wieder habe ich vor meiner Reise gehört, entweder man liebt Indien oder man hasst es. So ein Blödsinn. Obwohl ich etwas enttäuscht bin, wegen der Erfahrungen, die ich machte, hasse ich das Land nicht. Ich habe mir meine Meinung gebildet, über das, was ich gesehen und erlebt habe, wie oben beschrieben and that´s it. Überhaupt, was ist das für ein Schwachsinn, wie kann man denn ein ganzes Land hassen oder lieben?
Als Tourist kann man in Indien auch mit schmalem budget ziemlich gut leben wenn man keine besonderen Ansprüche hat. Malle ist deutlich teurer als Goa und im Winter ungemütlich. Ein Hippie, der eher auf Drogen als auf Bier steht, kommt dort billig über die Runden und fühlt sich noch wunderbar, wenn er ab und zu einem Bettler ein paar Cent zusteckt. Ich habe einige von diesen Typen gesehen, mit Rastas, Piercings und Tattoos und bauchfrei unterwegs so wie niemals die eher konservativen Inder und Inderinnen. Mich kotzen diese Heuchler mittlerweile mehr an als jene, die einfach zugeben, dass sie für wenig Geld hier den Winter verbringen.
Auch ich verbringe gerne für wenig Geld den Winter dort, wo es warm ist, kann aber nicht alles ausblenden, was um mich herum ist.

Meine letzten Wochen werde ich daher nicht in Indien verbringen, wohl eher in Thailand und Umgebung. Da ich das fotografieren nicht lassen kann, wird es weiter auf dieser Adresse ein paar shots geben. Sobald ich bereit dazu bin, werde ich damit beginnen.
Wer mag, ist natürlich herzlich dazu eingeladen, das weiter zu verfolgen.

So long, good night, good luck. Namaste.

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7 Kommentare

  1. Birgitt 8. Februar 2019

    Wunderbar deine Fotos!
    Liebe Grüße

  2. RaINER 5. Februar 2019

    Salute,
    die Bilder vermitteln den Staub, den Rauch, die Hitze und den Lärm. Wer schon mal in ähnlichen Gefilden unterwegs war, kann es schon fast spüren.
    Und: Wie ist das Essen – außer scharf ?
    BTW: Kannst Du mir eine getrocknete Chili-Schote mitbringen ? Kriegst irgendwann ein Pflänzchen zurück.
    HG

  3. RaINER 5. Februar 2019

    Salute,
    die Bilder vermitteln den Staub, den Rauch, die Hitze und den Lärm. Wer schon mal in ähnlichen Gefilden unterwegs war, kann es schon fast schon spüren.
    Und: Wie ist das Essen – außer scharf ?
    BTW: Kannst Du mir eine getrocknete Chili-Schote mitbringen ? Kriegst irgendwann ein Pflänzchen zurück.
    HG

  4. Rainer 25. Januar 2019

    Nach Goa jetzt das „richtige Indien“. Bin gespannt auf Deine Berichte.

  5. Sany 24. Januar 2019

    Einfach nur wunderschön! Am liebsten würde ich meine sieben Sachen packen und losziehen. Genieße in vollen Zügen <3

  6. raINER 21. Januar 2019

    “ the king of good times“ – das Heilversprechen von Kingfisher liegt auf dem Tresen.
    In diesem Sinne erstmal ein gutes Ankommen und gute Reise !

  7. Da Bruda 19. Januar 2019

    Das ist ja schon mal recht impressiv. War übrigens nett das Gespräch gestern. Alles Gute und weiterhin viel Spaß.

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